Einblick ins Innerste des russischen Reichs

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Nov 152007
 

kreml-kirchen.jpg Am 12.11. besichtigten wir den Moskauer Kreml. Am Abend dieses Tages forderte ich meinen Sohn Ivan Ivanovitsch (5 Jahre alt), genannt „Wanja“ auf, einen gemeinsamen Bericht für dieses Tagebuch zu schreiben. Er sagt: „Ich möchte dies allen Leuten vorlesen.“ Er ist Feuer und Flamme, setzt allerdings seine eigene Rechtschreibung durch, nach der er derzeit sowohl russisch als auch deutsch auf dem Computer schreiben lernt.

Ivan Ivanovitsch erzählt:

WIR WAREN DRAUßEN:

ZUERST FÜHRTEN WIR RITA, DEN HUND, IN DEN HOF:

RITA SPRANG WIE VERRÜCKT DURCH DEN HOF:

DANN GANGEN WIR NACHHAUSE UND BRACHTEN DEN HUND NACHHAUSE:

DANN GANGEN WIR, OMA, WANJA UND PAPA GEMEINSAM ZU FUSS ZUM KREML:

WIR SAHEN DRAUSSEN IM KREML LUSTIGE MOTORRÄDER:

SIE HATTEN EINEN SEITENWAGEN:

Papa fährt fort:

Wir besichtigten die Schatzkammer der Zaren. Wir sahen funkelnde Edelsteine, glitzernde Kronen und prächtigen Schmuck, viele Klumpen Gold und Silber. Dann haben wir drinnen Kutschen gesehen.

Ivan Ivanovitsch fährt fort:

DANN GANGEN WIR RAUS UND DANN WIR WAREN IN DER KIRCHE UND DA WAR ES GANZ SCHÖN:

UND DANN NOCH IN EINER KIRCHE UND DANN GANGEN WIR SCHON NACHHAUSE:

UND DAS HABEN WIR ERLEBT:

Greifen wir das noch einmal auf! Der Kreml entwirft ein dichtgedrängtes, sinnlich erfassbares Ensemble russischer Staatlichkeit. Über die letzten Jahre hin hat sich dieser monumentale Grundgedanke meinen Beobachtungen nach dank nachhaltiger Denkmalpflege noch verstärkt. Welches ist der Grundgedanke? Knapp zusammengefasst: Weltliche unumschränkte Macht gepaart mit geistlicher Weihe. All diese Zinnen und Burgen, diese wehrhaften Rüstungen, dieser unvorstellbare Reichtum, den die Zaren buchstäblich auf dem blutigen Rücken ihrer Untertanen angehäuft haben und der heute weiterhin stolz zur Schau gestellt wird – diese unglaublich geschlossene, in Stein und Edelstein gehauene Macht – sie wird noch zusätzlich überhöht durch die enge Verschwisterung mit der russischen Orthodoxie. Hier, in den wunderbaren, staunenswerten Ikonen der Himmelfahrtskathedrale wurde ich eines Gegenbildes gewahr: Rundum, hoch bis zur Decke auf den Ikonostasen verteilt, sah ich staunend strahlende, friedliche, freie Menschen und Engel, schwerelos im Raum schwebend, ohne Wehr und Waffen in einem endlosen Gespräch miteinander befangen, von innen heraus leuchtend, gelöst, entspannt, Männer und Frauen gleich groß, – ein wahrhaft herrschaftsfreier ewiger Dialog. Der vollkommene Gegensatz, die vollkommene Ergänzung zur waffenstarrenden Rüstkammer! Gerade in diesem Schnelldurchgang, bedingt durch die beschränkte Aufmerksamkeit eines Kindes, wurde mir das Wesentliche klar: Der Kreml ist Ausdruck eines in sich geschlossenen Kosmos, verbürgt durch die absolute Macht eines religiös legitimierten Autokrators, der höchstselbst als Schutzherr der Kirche auftritt. Die Schätze der Natur, also früher Gold und Diamanten, heute wohl eher Gas und Erdöl, werden verschwenderisch ausgebreitet, um der Welt vor Augen zu führen: WIR SIND DIE MACHT! Diesen innersten Kreis unserer Sendung, diesen unverbrüchlichen, über die Jahrhunderte reichenden Zusammenhang werden wir uns nicht antasten lassen! Diese unitarische Reichsauffassung hat wie selbstverständlich den Sowjetkommunismus mitgetragen und in der Maske des Bolschewismus sich bewahrt, heute tritt sie wieder unverhüllter hervor, verkörpert wie ehedem durch den neuen Selbstherrscher, den Mann an der Spitze des Staates. Ihren Ursprung hat diese Lehre wohl in der oströmischen Auffassung vom gottähnlichen Autokrator, die sich ab dem 4. Jahrhundert von Konstantinopel aus, dem zweiten Rom, Bahn brach und in Moskau als dem dritten Rom ihre vorläufige Erfüllung fand. Vergessen wir nicht: Das vom 15. bis ins 19. Jahrhundert durch Unterwerfung der Nachbarn zusammengetragene riesige russische Imperium ist das einzige große staatliche Gebilde unter den Kolonialreichen, das territorial weitgehend unangetastet bis zum heutigen Tage überdauert hat.

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Abflug nach Moskau

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Nov 152007
 

Am Sonntag, 11.11.2007, flog ich nach Moskau.

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