OsternKommentare deaktiviert für In der Morgenröte gewappnet mit glühender Geduld
Apr102023
In der Morgenröte gewappnet mit glühender Geduld AUFERSTANDEN werden wir in die strahlenden Städte einziehen
Mit diesen Versen Pablo Nerudas entließen sie mich, den in der Grabeskälte der ungeheizten Augsburger Moritzkirche bis auf die Knochen Fröstelnden, aus der morgendlichen Ostermette hinaus in die Stadt. Heimschreitend federnden Schritts sah ich schon von weitem an der Haltestelle Pilgerhaus eine kleine Gruppe raufender, kämpfender, schimpfender, fast tänzelnd einander in den Armen liegend ringender Jugendlicher; „siehe da, der alte Adam ist immer noch da, ecce homo, hi-ne Adam!“, dacht es in mir da! Auch am frühesten Ostermorgen brach also sofort wieder Gewalt aus! Ich trat tänzelnden, federnden, kampfbereiten Schrittes näher, gewappnet mit der Bereitschaft mich mit eigenen Armes Kraft zu verteidigen. Da scholl er mir, dem Vorbeischreitenden, schon aus beiden Mündern entgegen, „Servus“, der alte Augsburger Friedens- und Freundesgruß – und ich erwiderte gleichfalls: „Servus – und Frohe Ostern!“ „Auch Frohe Ostern!“, echote es aus beiden Mündern der freundlich lächelnden Männer.
Da erkannte ich meinen Irrtum und schlug mir lachend an die Stirn:
Nicht tänzelnd gerauft, sondern lachend getanzt, Nicht geschumpfen, nicht gesumpft, nicht gerungen, sondern gebrummt und gesummt und gesungen, haben am Pilgerhaus die Augsburger Jungen.
Servus Ostern! Das fängt ja gut an!
Bild: Ein Blick geworfen auf die Fluten des Lechs vom Hochablass flussaufwärts. Aufnahme vom 09.04.2023
Meiner Vaterstadt Dichter, wie find ich ihn doch? Angelehnt ans lebensrettende Gitter nimmt er die Gestalt eines weiß überstrichenen Tandems an. Gemütlich lächelnd wacht er vor dem Haus, das seinen Namen trägt. Zwischen den Zahnrädern, nein zwischen den Zähnen höre ich ihn pfeifen – „Ja macht nur einen Plan, und macht noch einen Plan…“ Dann wendet er sich ab von dem Fremden, der seine Vaterstadt mit ihm teilt. Es ist ja Karsamstag. Tag der Grabesruhe. Das war seine Erklärung zum heutigen Tag.
Fremd geworden, steige ich den altvertrauten Pilgerhausberg hinan. Es regnet nieselnd, lächelnd im Regen blickt mir der Dichter hinterher angelehnt an das ihn haltende Gitter der Zeit.
Eine Hütte für Kugelmenschen entdeckte ich vor zwei Tagen im Cheruskerpark!
Schön aufgeschlichtet aus sauber behauenen Planken Von hellem Holz erhebt sich nun ein kleines Büdchen Mit freundlichem Schornstein mitten auf kahlgetret’ner Wiese. Wer mag darin wohnen, für wen ist das Hüttchen bestimmt? Ein Blick auf die hell leuchtende Tür gibt Auskunft: die Kugelmenschen Sind’s, von denen schon Aristophanes in Platons Symposium erzählt. Denn ursprünglich gab es ja nicht die Unterscheidung in Mann und Frau, Sondern die ersten Menschen besaßen Kugelform, bewegten sich In alle Richtungen, rollten umher und gaben sich allerlei Freuden hin. Drei Gattungen gab es, das männliche und das weibliche und auch das Gemischtgeschlechtliche. Und so schillerte eine bunte Palette an Unterschiedlichsten Mengungen. Keiner war eindeutig festzulegen. Selige Vorzeit, als die schroffe Scheidung in männlich und weiblich Noch nicht eingeführt war! An diesen Urzustand knüpft der heutige Geschlechterdiskurs erneut an. Und so mag denn In diesem Hüttchen zugleich Anfang und Ende der Menschheitsgeschichte Verkörpert sein. Inizio heißt ja auf italienisch Anfang. Fine dagegen Heißt Ende, und so ist auf wundersame Weise Anfang und Ende In diesem kleinen Büdchen symbolisch vereinigt, und der Name des Büdchens Lautet: Finizio. Trefflich gesagt, zu finden im Cheruskerpark zu Berlin, Schöneberg.
Sandstrohblume, Habichtskraut, Eberesche, Hartriegel, Rispenflockenblume, Rainfarn, Nachtkerze, Weinrosen – diese Pflanzenarten und noch viele mehr, nämlich über 350 Pflanzenarten sind hier im Schöneberger Südgelände nachgewiesen!
Friedrich Gottlieb Klopstock fasst die staunenswerte Fülle, die die natürliche Umwelt uns bietet, mit folgenden Worten:
Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht, Auf die Fluhren zerstreut ; schöner ein froh Gesichte, Das den großen Gedanken Deiner Schöpfung noch einmahl denkt.
Die Natur – so erlebt der Dichter dies 1750 bei seiner Fahrt auf der Zürcher See – ist eine prachtvolle Erfinderin, deren Einfallsreichtum uns immer wieder in Staunen versetzt. Nicht der Mensch hat die Natur geschaffen, sie ist vor ihm da und wird ihn auch überdauern. Die Natur ist zunächst einmal nicht unser Gegenstand, sondern das uns Ergreifende, uns Entzückende.
Von der schimmernden See weinvollen Ufer her, Oder, flohest du schon wieder zum Himmel auf, Komm im röthenden Strale, Auf den Flügeln der Abendluft ;
Komm, und lehre mein Lied jugendlich heiter seyn, Süße Freude, wie du ! gleich dem aufwallenden Vollen Jauchzen des Jüngelings! Sanft, der fühlenden Sch — inn gleich.
Während für das heutige besorgende, verwaltende Denken und Rechnen die Natur wie auch das Klima im wesentlichen nur noch als Lebensgrundlage des Menschen, als Menschendienliches, als eine Art gewaltige berechenbare Maschine erscheint, die es am Laufen zu halten gilt, gerät der Dichter außer sich, – er denkt über das reine Menschsein hinaus, er denkt – nach. Er weiß, dass er über die Natur (wie auch über das Klima) keine Gewalt hat.
Dies, so meine ich, sollten wir heute ebenfalls beherzigen.
Und wir Menschen – dürfen das mit Herz und Sinn, mit Verstand und Gefühl genießen. Für die durch die Medien maßlos hochgepeitschte, apokalyptische Angst vor dem vielbeschworenen Untergang der Welt, wie wir sie kennen, besteht, so meine ich, kein Anlass, nicht der geringste Anlass!
Der Natur-Park Südgelände ist ein prachtvolles Zeugnis für den Erfindungsreichtum der Natur – hier hat sich innerhalb weniger Jahrzehnte fast ohne Zutun des Menschen auf einer verlassenen Eisenbahnbrache eine Lebensgemeinschaft herausgebildet, die artenreich, widerständig, lebensstrotzend, klimawandelresistent und wandelbar ist.
Gedruckte Erstfassung hier zitiert nach: 1750. Friedrich Gottlieb Klopstock: Zweyte Ode von der Fahrt auf der Zürcher See. In: Gedichte 1700-1770. Nach den Erstdrucken in zeitlicher Folge herausgegeben von Jürgen Stenzel. [=Epochen der deutschen Lyrik in 10 Bänden. Herausgegeben von Walther Killy. Band 5], 2. Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1977, S. 243-245, hier: S. 243
Bild: Ein Blick in den Natur-Park Schöneberger Südgelände am heutigen 2. April 2023
Angst, Apokalypse, Klimawandel, ReligionenKommentare deaktiviert für Kann das Volk überhaupt verstehen, was es gefragt wird und worüber es morgen im „Volksentscheid“ entscheiden soll?
Mrz252023
Morgen steht bei uns in Berlin der „Volksentscheid über einen Gesetzentwurf zur Änderung des Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetzes“ an. Selbstverständlich werde ich hingehen, selbstverständlich werde ich eine Entscheidung treffen. Doch welche soll ich treffen?
Hierzu vertiefe ich mich in die 48 Seiten starke engbedruckte Broschüre, die der Landesabstimmungsleiter Berlin allen etwa 2,5 Millionen Wahlberechtigten zugesandt hat. Zusammen sind dies etwa 120 Millionen Seiten engbedruckten Papiers, die dem Volk zur Entscheidungsfindung verhelfen sollen.
Doch werden die 2,5 Millionen Wahlberechtigten auch verstehen, was sie gefragt werden? Hierzu lohnt sich ein Blick auf die Sprache dieser Entscheidungshilfe.
Mein Befund: Die Sprache des Heftes ist eine kunstvolle, alle Schichten der Seele ansprechende Mischung aus
a) angsteinflößenden Pauschalaussagen über die unmittelbar drohende Zerstörung, die Vernichtung, den bevorstehenden Untergang der Lebensgrundlagen, die Seuchen, die Schädigungen, die Verheerungen, die von uns zu verantwortenden menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen, unsere koloniale, rassistische Vergangenheit, die Ausbeutung der Frauen, Kinder und ethnischen Minderheiten, die der „globale Norden“ (also wir) uns haben zuschulden kommen lassen und auch weiterhin verüben (man lese hierzu beispielhaft etwa Seite 16 des Pamphlets),
b) einem flickenteppichartigen Sammelsurium unterschiedlichster z.T. wissenschaftlicher, z.T. pseudowissenschaftlicher, auf subjektiven Einschätzungen und höchst zweifelhaften Computersimulationen beruhender Behauptungen über die fernere Zukunft einerseits und interessengeleiteter politischer Quellen andererseits, die wohl mit dem Ziel aneinandergefügt werden, das akademisch nicht vorgebildete Volk zu verwirren und ohnmächtig zu stimmen. Wichtige Belege werden zudem nur in englischer Sprache nachgewiesen – wie viele der 2,5 Millionen Menschen im Berliner Volk sind imstande, diese englischen Quellen auf Stichhaltigkeit nachzuprüfen?
Eine hammerartig eingebleute Angst vor dem Weltuntergang, Einschüchterung des Volkes, Demütigung der Nichtakademiker im Volk, bewusst eingejagte zermürbende Schuldgefühle, eine blasenartig verkapselte, pseudointellektuelle, pseudowissenschaftliche Sprache zeichnen diese ins Berliner Volk gefeuerten 120 Millionen Seiten Papier aus – es ist ein Artilleriebeschuss mit generell weder widerlegbaren noch nachprüfbaren Behauptungen, ein Trommelfeuer, ein dumpfes Dröhnen am Horizont, das einem jede Handlungszuversicht nimmt.
Jede einzelne Aussage in dem Heftchen lässt sich bezweifeln und muss bezweifelt werden!
Ich werde deshalb morgen mit NEIN stimmen.
Bibliografischer Quellenhinweis: Amtliche Mitteilung zum Volksentscheid über einen Gesetzentwurf zur Änderung des Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetzes am 26. März 2023. Herausgeber: Der Landesabstimmungsleiter Berlin, Klosterstraße 47, 10179 Berlin
TheaterKommentare deaktiviert für Tatenarm und gedankenvoll – Oblomow im Renaissance-Theater
Mrz052023
„Tatenarm und gedankenvoll!“ Großer Theaterabend gestern im Renaissancethater! Der Oblomow in der meisterlichen Adaption von Volodia Serre und André Markowicz, das ist richtig gutes Sprechtheater, hinreißend auf die Bretter gebracht, wir atmeten im Publikum lachend, weinend, ergriffen mit!
Auch die im Parkett sitzenden Russen im Publikum bestätigten mir, dass sie „ihren“ Oblomow in dieser französisch-deutschen Gemeinschaftsleistung lächelnd und lachend wiedererkannten. Ein großer Auftritt für die große, die vielgerühmte russische Kultur!
Ja damals – damals las ganz Europa den Oblomow, fand sich in ihm wieder, erkannte in diesem Nichtstun eine große Gefahr und die Signatur der Zeit.
Und wir hatten anschließend mit den zufällig anwesenden Russen im Publikum Gelegenheit, uns aus erster Hand über die verheerende Vernichtungsorgie auf den neuesten Stand zu bringen, die nicht erst seit 24.02.2022, sondern schon seit 2014 von russischem Boden aus über das westlich angrenzende Nachbarland Ukraine hereinbricht und wie eine krebsartige Krankheit allmählich auch große Teile der russischen Gesellschaft zerfrisst und zerstört.
Wo findet sich Heilung? Sicher nicht im Oblomowismus! Sicher nicht im Nichtstun!
Angst, Antike, Apokalypse, Koran, Singen, TheaterKommentare deaktiviert für „Wenn die Erde geschüttelt wird in ihrem Beben…“ Die „Last Generation“ des 7. Jahrhunderts spricht
Feb152023
„Wenn die Erde geschüttelt wird in ihrem Beben …“ Ich lese summend, klingend, eben rezitierend wie ich auch die Bibel der Juden und die der Christen lese, die Sure 99 im Koran – in der sehr eindrücklichen Übersetzung von Hartmut Bobzin. Diese mekkanischen Suren sind ja „beherrscht von der Thematik des nahenden Weltenendes“, wie dies Bobzin treffend ausdrückt.
Wie leicht schlägt sich da der Verständnisbogen zur heutigen Zeit!
Erdbeben, Wirbelstürme, Überschwemmungen und andere Naturkatastrophen galten damals wie heute als ein Anzeichen des Weltenendes! Ähnlich wie die Zeit Jesu von Nazareth, ähnlich wie die Zeit Martin Luthers war das 7. Jahrhundert ganz offenkundig eine Epoche der „Naherwartung“. So waren bekanntlich auch Martin Luther (gegen Ende seines Lebens) und Jesus von Nazareth selbst – wie die Last Generation unserer Zeit, die sich angsterfüllt an Autobahnen festklebt – zutiefst erfasst und durchzittert von der Erwartung des in Bälde bevorstehenden Untergangs dieser Welt „wie wir sie kennen“.
Ich meine: Die „Letzte Generation“ des 7. Jahrhunderts spricht auch heute noch zu uns. Ähnlich wie die „Last Generation“ unserer Tage waren damals viele Menschen überzeugt, dass es hienieden keine Zukunft mehr geben würde – durch unsere Schuld, durch unsere Schuld, durch unsre übergroße Schuld.
Ich werde am 17. Februar mit großer Freude erneut das Korano-Drama, diesmal den 2. Teil, besuchen. Das Leben hienieden, das Erkennen, das Erfahren, Staunen, Summen und Singen – es geht ja weiter!
Lesehinweis:
Der Koran. Aus dem Arabischen neu übertragen von Hartmut Bobzin unter Mitarbeit von Katharina Bobzin. C. H. Beck Verlag, 4. Aufl., München 2022, Sure 99, sowie auch bsd. S. 602 im Anhang
Veranstaltungshinweis:
Artistic Enactment of Quran. Eine künstlerische Aufarbeitung der Koransure 99 zum Mitmachen und Miterleben. Katholische Akademie in Berlin, Hannoversche Straße 5, 10115 Berlin, 17.02.2023, 14.00-19.00 Uhr
JugendgewaltKommentare deaktiviert für Und täglich grüßt das Murmeln hier: „Mehr Geld, mehr Personal, mehr Zentren, mehr Staat, mehr Sozialarbeit, mehr Betreuung“
Bekannte, sehr volkstümliche Melodien erklingen heute, zum Auftakt des durch Bürgermeisterin Giffey für heute einberufenen „Gipfels gegen Jugendgewalt“.
Die Begleitmusiken ändern sich im Laufe der Jahrzehnte, die Probleme bleiben die gleichen, gefordert wird seit Jahrzehnten mit unterschiedlichen Etiketten dasselbe:
Ein „Jugendstärkungspaket“ wird da von den Grünen verlangt, dann wiederum „bessere finanzielle und personelle Ausstattung“, „Familienberatungsstellen, Familienzentren, Schulsozialarbeiter:innen und das Quartiersmanagement (QM)“; der Katalog wird seit Jahrzehnten stetig um neue Forderungen an staatliches Handeln erweitert, lediglich das modische Genderisieren war damals noch nicht so im Schwange wie heute.
Das Vertrauen in das Geld, in die Heilkräfte des fürsorglichen, mittelverteilenden Staates ist offenbar ungebrochen. Aufschlussreich ist für mich der Blick in eigene Aufzeichnungen, die ich nach einem Symposium zur Jugendgewalt im Deutschen Bundestag bereits am 22. Januar 2008 niederschrieb:
Zu den Referent:innen gehörten damals bei jenem Symposium im Jahr 2008 Kirsten Heisig und Gilles Duhem. Lang ist’s her: Franziska Giffey war damals laut Wikipedia noch nicht Bezirksstadträtin, sondern Kassiererin im Vorstand der Neuköllner SPD. Die Analysen zu den Ursachen der Jugendgewalt sind seit damals kaum verändert, die Karawane der Symposien, Konferenzen, Gipfeltreffen etc. pp. zieht eine Runde weiter. So vergeht wenigstens die Zeit.
Hebraica, Sprachenvielfalt, WeihnachtKommentare deaktiviert für Nabi Jeschajahu/Prophet Jesaja 9,5. Ein nachhallendes Kneipengespräch
Jan072023
Es geschah eines Abends wie zufällig in der an gotischer Straße gelegenen Kneipe Heuberger, als ich gerade einige Hrrgttsbschßrl (wie der Schwabe die Maultaschen mit Fleischfüllung nennt) verspeiste, dass ich in ein Gespräch über einen Bibelvers hineingezogen wurde, der gerade zur jetzigen Weihnachtszeit immer wieder nachhallt, nachklingt, nachschwingt. Nabi Jeschajahu, wie er auf Hebräisch heißt, oder auch Prophet Jesaja, wie er bei den griechischsprachigen Juden der alten Welt und in ihrer Nachfolge bei den Christen der Nachwelt genannt wurde.
Versuchen wir, Licht in das Bedeutungsgefüge dieses für die Herausbildung des Weihnachtsfestes so wichtigen Verses zu werfen, ausgehend von der hebräischen Fassung, die zweifellos die älteste oder auch die sogenannte Urfassung darstellt!
So übersetzt der Rabbiner Ludwig Philippson diesen oben auf Hebräisch wiedergegebenen Vers des Nabi Jeschajahu 9,5 bzw. des Propheten Jesaja 9,5 (erstmals in Leipzig 1848 erschienen):
Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn gegeben uns, auf seiner Schulter ruht die Herrschaft und seinen Namen nennt man: Wunder, Berater, Gottesheld, beständiger Vater, Friedensfürst.
Dies ist die recht anders ausfallende deutsche Version der Bibel in gerechter Sprache (erstmals in Gütersloh 2006 erschienen):
Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Macht liegt auf seiner Schulter. Sein Rufname ist: ‚Wunder-Rat‘, ‚Gott-ist-stark‘, ‚Mein-Vater-und-meine-Mutter-auf-immer‘.
Und so wiederum lautet dieser Vers in der King James Version, hier wiedergegeben in der Revision durch Benjamin Bleynay von 1769:
For unto us a child is born, unto us a son is given: and the government shall be upon his shoulder: and his name shall be called Wonderful, Counsellor, The mighty God, The everlasting Father, The Prince of Peace.
Und so wiederum übersetzt die weltweit bis heute einflussreichste Bibelübersetzung überhaupt, nämlich die von griechischsprachigen Juden angefertigte Septuaginta diesen Vers:
Wiederzugeben wäre diese schon vor der Zeitenwende begonnene griechische Übersetzung in der textnahen Übersetzung des hier Schreibenden aus dem Griechischen etwa so:
Denn ein Kind ist geboren worden uns, und ein Sohn ist gegeben worden uns, dessen Herrschaft (oder auch Anfang?) auf seiner Schulter entstanden ist, und sein Name wird genannt Bote-großen-Rates; ich werde nämlich Frieden zu den Herrschenden treiben, Frieden und Gesundheit ihm (oder durch ihn oder mit ihm.)
Viele Fragen, viele Anfragen an die Sprachen der Bibel sind offen! Fortsetzung folgt.
Bibel in gerechter Sprache: Bibel in gerechter Sprache. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2006
Deutsche Übersetzung des Rabbiners Philippson: Die Propheten (hebräisch-deutsch) in der Übersetzung von Rabbiner Ludwig Philippson. Revidiert und herausgegeben von Walter Homolka, Hanna Liss und Rüdiger Liwak. Verlag Herder, Freiburg im Breisgau, 2016
Bereits seit vier Tagen besuche ich jeden Tag das aus der Schweiz in unseren humorärmeren Norden eingestrahlte „Einsingen um 9“, eine gewitzte Initiative einiger professioneller Sänger und Gesangspädagogen, die aus der Not der Corona-Krise eine Tugend des digitalen Zeitalters geschmiedet haben. Jeden Tag reichen sie uns eine neue Folge an Übungen, Liedern, Einsichten zum Einsingen, Mitsingen und Weitersingen dar.
Soweit mir ein Urteil zusteht, meine ich: Besser kann man die Grundlagen technisch sauberen und musikalisch ansprechenden Singens über digitale Medien nicht vermitteln. Natürlich wird damit die persönliche Arbeit mit Gesangspädagogen nicht überflüssig gemacht; diese wird unersetzlich bleiben für alle, die in größerem Rahmen solistisch auftreten wollen.
Aber die Grundlagen des professionellen Gesangsstudiums lassen sich sehr wohl mit dieser Methode mindestens erahnen, erkennen, einüben und festigen.
Jedes Einsingen folgt einem bestimmten Bild, einer vorgebahnten Strecke, einem Thema, flicht in diesen Rahmen kleine Weglein und Umweglein ein: körperliche Vorbereitung, stimmliches Aufwärmen, mentale Durchdringung, Bilder, Rätsel, Reime, Lieder – ein bunter Strauß an Einfällen, der aber stets verlässlich (soweit ich das beurteilen kann) absolut solide Grundlagen für das Singen, das Auftreten, die Darbietung sowohl des klassischen Gesangs wie auch des Popgesangs bietet.
Freude, WanderungenKommentare deaktiviert für O du Waldeinsamkeit in den Glauer Bergen!
Sep262022
Die Glauer Berge sind eins der schönsten, überraschungsreichsten Wanderreviere in der näheren Umgebung Berlins. Bei unserer kleinen Tour zurück vom Wildgehege Glauer Tal nach Trebbin haben wir gestern nachmittag einen kleinen Umweg gemacht, querfeldein über Pferdekoppeln, unter unter Strom stehenden Zäunen durchkrabbelnd. Denn wir waren an einer Weggabelung bei der Friedensstadt Weißenberg gutgläubig dem breiten bequemen Wirtschaftsweg statt dem kaum zu entdeckenden, verkrauteten Pfad gefolgt.
So endeten wir vorübergehend im Weglosen, wenngleich nicht Ausweglosen einer Pferdeweide. Manchmal muss man schlechterdings Wege gehen, die im Unbegangenen enden. Aber schon nach einer Stunde, ein paar Minuten nach fünf, standen wir am Fuße des Löwenberger Aussichtsturmes, bestiegen diesen und warfen einen großartigen Blick in den sich allmählich rötlich färbenden weiten Abendhimmel.
Nach einer weiteren Stunde zügigen Ausschreitens langten wir am Bahnhof Trebbin an. Der RE kam nach 10 Minuten, um viertel vor acht waren wir dann zuhause, glücklich über all das Erlebte und Gesehene!
Übrigens begegneten wir im Wald über die vielen Stunden hinweg nur einem einzigen anderen Menschen, einem jungen Mountainbike-Fahrer. Wanderer gab es keine außer uns. Herrliche Waldeinsamkeit!
GoetheKommentare deaktiviert für „Drum greife zu, Wanderer!“ Goethe in Mittenwald
Aug282022
Deutlich älter, wohl an die 60 Jahre alt, wirkt Goethe (geb. am 28.08.1749) hier auf dieser Fassade als er damals am 7. September 1786 war, eben erst der drückenden Enge des Hofes entkommen.
Tatsächlich war er bei seinem Eintreffen in Mittenwald erst 37 Jahre alt, also eher so alt, wie das Mannerleit, das da eben so eindeutig mit mit dem Madl anbandeln tut. Auf dieser in der heute vorherrschenden Al-secco-Technik ausgeführten Lüftlmalerei beugt sich also der nach Weimar zurückgekehrte, statuarisch auf den Stock gestützte Alte vom Frauenplan noch einmal über seine schäumende Mannesjugend. Ein abschiednehmende, fast entsagende Geste liegt in diesem Bild, bekräftigt durch den auf die alte römische Meilensäule zeigenden Finger:
„Wandrer, gedenke, dass die Zeit vergeht, sie wird verrinnen, drum greife herzhaft zu, dann wirst du Lust und Freud gewinnen.“
Wir hielten kurz inne in diesen Betrachtungen in Mittenwald am 18. August 2022 bei einer Führung mit der bestens vorbereiteten, munter plaudernden Regine Ronge. Dank an Goethe, Dank an den Maler, Dank an Regine!
Beleg zum Datum von Goethes Aufenthalt in Mittenwald:
Johann Wolfgang von Goethe: „Reise-Tagebuch erstes Stück. von Carlsbad auf den Brenner in Tyrol. 1786.“ In: Goethes Werke. Herausgegeben im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen. Bd. 78, Weimar 1887, S. 145-170, hier S. 146